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Genetische Diversität

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Genetische Diversität ist gerade in der Hundezucht ein Thema, das zusehends an Interesse gewinnt. Genetisch betrachtet sind Rassen geschlossenen Populationen. Das bedeutet, zu dem Zeitpunkt wo eine Rasse als solche etabliert wurde und die Zuchtbücher geschlossen wurden, gab es einen Status quo an genetischem Material. Sofern keine Fremdrasse eingekreuzt wird, kommt es zu keinem Zugewinn an genetischem Material. Ganz im Gegenteil, mit jeder Selektion die im Zuge der Zucht durchgeführt wird, geht genetisches Material verloren. Dies führt über die Zeit betrachtet zu einem stetig zunehmenden Inzuchtniveau und einem Verlust der genetischen Diversität. Was die wenigsten Bedenken ist, dass jede Selektion nicht nur erwünschte Merkmale und Eigenschaften festigt, sondern auch jene die wir nicht wollen. Dies können beispielsweise krankheitsverursachende Genvarianten sein, die in einer Rasse vermehrt zum Tragen kommen. Aus Sicht der Zucht sollten aber möglichst viele unterschiedliche Gene und Varianten in einer Rasse vorhanden sein und erhalten bleiben, also ein hoher Grad an Heterozygotie vorliegen, um eine Rasse möglichst lange erhalten zu können. Denn die genetische Diversität ist die Basis für Vitalität, Krankheitsresistenz und Fruchtbarkeit.

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Aus Sicht der genetischen Diagnostik war es viele Jahre eine große Herausforderung genetische Diversität zu messen. Diese also wirklich für jeden Hund basierend auf seinen Genen zu bestimmen und nicht anhand der Ahnentafeln. Heute können wir dies relativ einfach durch die Testung von mehreren hunderttausenden genetischen Markern. Diese Marker sind gleichmäßig verteilte kleine Bereiche auf der DNA eines jeden Hundes. Diese sagen uns ob ein Hund von seinen Eltern unterschiedliche Gene geerbt hat oder nicht und wenn ja in welchem Ausmaß. Zudem kann festgestellt werden, wie verwandt zwei Hunde miteinander sind. Es ist eine sehr präzise Form basierend auf DNA-Daten Verwandtschaften von zwei Hunden vorhersagen zu können. Und das ganz unabhängig von Ahnentafeln. Mit diesen Verwandtschaftsanalysen kann beispielsweise der Verwandtschaftsgrad von Hunden ohne jegliche Informationen zu diesen ermittelt werden. So kann das Resultat ergeben, dass keine Verwandtschaft besteht oder eine Verwandtschaft wie wir sie für Eltern zu Nachkommen, Vollgeschwistern, Großeltern zu Enkel etc. erwarten würden. Diese Information kann auch sinnvoll in der Zucht bzw. bei Verpaarungen eingesetzt werden. So können beispielsweise bevorzugt jene Hunde verpaart werden, deren Verwandtschaftsgrad am geringsten ist und damit die genetische Vielfalt in den Nachkommen bewusst erhöht bzw. hoch gehalten werden.

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Zusätzlich zu den Verwandtschaftsanalysen lassen sich genomische Inzuchtkoeffizenten berechnen. Der IK ist bislang die bekannteste Möglichkeit die genetische Diversität zu ermitteln, allerdings auf Basis der Ahnentafeln. Dieser macht aus genetischer Sicht eine mathematische Vorhersage darüber wie Wahrscheinlich es ist, dass 2 gleiche Allele (Genvarianten) an einem Genort von einem gemeinsamen Vorfahren stammen. Der Wert des IK steigt umso stärker je näher eine Blutsverwandtschaft von Individuen ist. Umso höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich Individuen genetisch sehr ähnlich sind. Ein Anstieg des Inzuchtniveaus führt gleichermaßen auch zu einer Abnahme der genetischen Diversität. Die Berechnung von IK basierend auf Ahnentafeln ist seit vielen Jahren ein gängiges Tool. Diese Art der Berechnungen hat leider auch Nachteile, da nicht immer alle Ahnentafeln vollständig sind oder die tatsächlichen Ahnen, sofern nicht durch Abstammungsgutachten bestätigt, abweichen können. Das heißt die Datenbasis für die Berechnungen kann somit Fehler in sich bergen und zu inkorrekten Berechnungen führen. Die Ermittlung genomischer IK bleibt von diesen Faktoren unbeeinflusst. Hierfür werden genetische Daten und somit der IST-Status eines Hundes als Datenbasis verwendet. Inzuchtkoeffizienten können bis zu 50 Generationen zurück berechnet werden und somit in einem detaillierten Zucht- und Diversitätsmanagement einer Rasse eingesetzt werden.

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Die heutigen genetischen Verfahren und Möglichkeiten bieten uns erstmalig die Chance für ein umfangreiches und langfristiges Zuchtmanagement. Viele Rassen zeigen bereits eine stark eingeschränkte genetische Diversität mit einem hohen Inzuchtgrad. Umso wichtiger ist es gerade bei diesen mit dem noch vorhandenen genetischen Material sinnvoll und rasseerhaltend zu wirtschaften. So wie die Testung von genetischen Erkrankungen eine Selbstverständlichkeit sein sollte, braucht es ein wohldurchdachtes und den Bedürfnissen der Rasse angepasstes Zuchtmanagement um sie möglichst lange erhalten zu können.